Im Zeller Goldbergbau waren im Jahr 1869 die meisten Knappen auf Grund sinkender Erträge entlassen worden. Viele von ihnen standen nun ohne Arbeit und Brot da.
Dazu kam die Tatsache, dass schon seit Jahren mehrere Gruppen aus Tirol dem Lockruf des Goldes aus Amerika gefolgt waren. Verschiedene Zeitungen berichteten immer wieder von sagenhaften Goldfunden und tatsächlich erhielten in diesen Jahren auch verschiedene Zeller Familien Geldsendungen von Verwandten aus der Neuen Welt.
So machten sich im Jahre 1870 etwa 80 teils noch recht junge Zillertaler, unter ihnen sogar einige Mädchen, auf nach Amerika, genauer gesagt in den Bundesstaat Colorado. Sie dürften gute Voraussetzungen für erträgliche Einkommen gefunden haben, denn schon um 1879 und 1880 folgten ihnen wiederum ungefähr 80 Personen, die ebenso als Berg- und Forstarbeiter in Colorado ein besseres Fortkommen suchten. In den folgenden Jahren stieg die Zahl der Ausgewanderten aus verschiedensten Gründen sogar auf über 200 an, wobei einige Gruppen auch Pittsburg / Pennsylvania als neue Heimat wählten.
Neben der Abenteuerlust manch jugendlicher Emigranten und der schlechten Wirtschaftslage in der Heimat veranlasste um 1887 auch eine Riesenkatastrophe im Bereich Ried -Aschau eine Gruppe von Zillertalern ihre verwüsteten Felder und Höfe in der Heimat zu verlassen und sich in Amerika eine neue Existenz aufzubauen.
Ein Tuxer wiederum kam um 1895 nach Amerika, weil er als leidenschaftlicher Wilderer mit dem Gesetz in Konflikt gekommen war und lieber in eine ungewisse Zukunft als hinter Gitter wandern wollte.
Das Glück gesucht, aber nicht immer gefunden
Einige Briefe von Auswanderern sind noch erhalten und sie erzählen oft von guten Möglichkeiten, zu bescheidenem Wohlstand zu kommen. Angehörige, die den Ausgewanderten folgen wollten, wurden gewarnt, sie sollten sich keine zu rosigen Vorstellungen von Amerika machen.
„Wer Arbeit hat und arbeiten will“, meint der Schreiber, „hat es besser als daheim. Wer aber nicht arbeiten will, ist viel schlimmer dran als im Zillertal.“
Aber auch von großen Tragödien steht in den Briefen zu lesen. Im Jahre 1886 wird von einem Gerloser Bergarbeiter berichtet, der im Bergwerk von einer Kohlendecke erschlagen wurde. Später wird von einem verunglückten Kameraden erzählt, der um 6 Uhr von zu Hause fortging und um 8 Uhr als Leiche heimgetragen wurde. Es sei der traurigste Anblick seines Lebens gewesen, berichtet der Briefschreiber, wie der tote Vater zu seinen sechs unmündigen Kindern heimgebracht wurde.
Von einem ausgewanderten Aschauer erzählt man, dass er „drüben“ in seinem Bett erschossen wurde, ein anderer wiederum sei ausgeraubt worden. Dem Ermordeten zum Gedenken wurde in Aschau - Mitterdorf ein Wegkreuz errichtet. Der Glückspilz Johann Steiner soll jedoch mit so viel Geld zurückgekommen sein, dass er den Aschauer „Wirt“ gleich zweimal hätte kaufen können.
Jener Tuxer und seine Reisebegleiter aber erlebten beim Auswandern die reinste Odyssee. Sie verließen Europa über einen französischen Hafen nach New York. Von dort zogen sie auf
Grund einer falschen Information quer durch den Kontinent Richtung Westen. Schließlich besaßen sie nichts mehr außer Zündhölzern und einem Taschenmesser. Sie standen kurz vor dem Verhungern.
Glücklicherweise erreichten sie doch noch Alaska und erhielten vom Staat jeweils 500 m² Grund, um das wilde Land zu besiedeln.
Sie hatten großes Glück beim Goldwaschen und als sie nach Jahren wieder in die Heimat zurückkehrten, konnte Josef Mader den alten „Jöchlerhof“ in Tux kaufen und Johann Zingerle baute das Gasthaus „Kasern“ in Schmirn in amerikanischem Baustil.
Gläubig, musikalisch und heimatverbunden
Um 1887 schreiben Sebastian und Felix Kogler an die Angehörigen daheim:
„Hier in Junction (Colorado) ist alle zwei Wochen eine heilige Messe. Es wird hier eine Deutsch-katholische Kirche gebaut, welches für meine kleinen Geschwister von Wichtigkeit ist, und wir sind zum Singen engagiert. Halte auch die Harpfn (Harfe) in gutem Stand, denn diese kann mir da noch vielleicht von Nutzen sein, wenn Ihr sie mit Euch hereinbringt…“
Nach vielen Jahren schreibt Sebastian Kogler an seine Geschwister:
„Meine Kinder sind alle sehr brav und stehen zur Kirche, was man nicht von allen Tirolern sagen kann, welche nach Amerika gekommen sind.“
In einem weiteren Brief ist die Liebe zur Heimat ausgedrückt, die wohl die meisten Auswanderer stark geprägt hat:
„Von der Ferne weiß man erst, was die Heimat - wo man geboren ist - bedeutet.“
Textquellen: Chronik Zell, private Aufzeichnungen von mündlichen Überlieferungen (Fankhauser Josef, Ungerank Walter)
Bildquelle: Fotoarchiv Ungerank Walter